Der Student und Stadtführer-Kollege
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Was ist Dein Lieblingsplatz in Potsdam?
Nehmen wir den Blick von der kleinen Brücke über den Teltowkanal am Park Babelsberg hinüber zum Tiefen See – traumhaft! Auch aus der entgegengesetzten Richtung vom Oracle-Turm her. Bei Plätzen konkret denke ich spontan an den Luisenplatz.
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Welchen Ort meidest Du nach Möglichkeit?
Ehrlich gesagt, muß ich da erst mal überlegen. Die Orte, die mir da einfallen, muß ich nicht oft sehen. Dem Staudenhof kann ich nicht viel abgewinnen, komme aber oft da vorbei. Auch den Platz der Einheit stelle ich mir mit Bäumen überdacht schöner vor. Die Brandenburger Straße meide ich zwar nicht – ich mag den Trubel dort sehr -, aber diese dämlichen Stände mit diesem ganzen Ramsch: Ich möchte auch mal einen Weihnachtsmarkt erleben ohne Musik zum Weglaufen!
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Was ist Dein bisher schönstes Erlebnis in Potsdam?
Ein konkretes Erlebnis fällt mir ich da gerade nicht ein, aber viele Begebenheiten, also eher so kleine Situationen, die Potsdam ermöglicht. Zum Beispiel wenn du mit Gästen vor der Orangerie im Park Sanssouci stehst, ihnen was von Potsdam erzählen willst und auf der Brüstung fünf Meter neben dir landet ein Reiher.
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Wenn es eine Sache gäbe, die Du in Potsdam ändern könntest – was wäre das?
Potsdams Studenten finden in der Stadt nicht statt. Die Stadt, die Hochschulen und die Studenten haben noch nicht zusammengefunden. Wie Inseln findet man die studentischen Lebensräume verteilt an der Peripherie. Wer hat da eigentlich gepennt, als die Uni Anfang der Neunziger neu aufgebaut wurde und zugelassen wurde, daß keinerlei Brücken von der Uni in die Stadt geschlagen wurden. Wahrscheinlich hat man die Pendelbereitschaft der Studis unterschätzt und dachte, die wohnen dann eh alle in der Stadt. Und nicht genug, der FH-Neubau wird so richtig schön nach j.w.d. gelegt. Man könnte meinen, Studenten sind unerwünscht in der Stadt. Das ärgert mich. Andere Städte würden jubeln bei der Studentenquote.
Ich stelle mir also vor, die Studenten in die Innenstadt zu holen. Dazu müßten jedoch auch erstmal die vielen Studis, die täglich aus Berlin anreisen, oft aber nach Jahren noch nicht mitbekommen haben, was Potsdam zu bieten hat, mehr von der Stadt sehen als den Hauptbahnhof, Griebnitzsee, Golm und das Neue Palais. Voraussetzung hierfür wäre allerdings bezahlbarer Wohnraum in der Innenstadt, den es aber eher immer weniger gibt. Traum Ende. Viele Touristen haben nach einem Tag Potsdam mehr gesehen von der Stadt als manch ein Studi nach vier Jahren.
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Welches Gebäude in Potsdam würdest Du am liebsten aufbauen, und welches würdest Du am liebsten abreißen lassen?
Aufbauen: Ich bin für die Wiedergewinnung der barocken Innenstadt mit Landtags-Stadtschloss, Garnisonkirche und Stadtkanal. Und ich sehe ein Argument, das deutlich aus der verkrampften Debatte (siehe auch Frage 7) herausragt – die Leute haben damals schönere Dinge gebaut. Ich finde gut, was ein Potsdamer Architekt kürzlich mal gesagt hat: Wir bräuchten mehr Bescheidenheit in der Selbsteinschätzung unserer Gegenwartsarchitektur. Über die geschickte Kombination von Alt und Neu läßt sich dann immer noch reden.
Abreißen: Wer hat bloß diesen Speer-Bau der IHK in der Breiten Strasse geplant und genehmigt? Da das Ding nun mal steht, fangen wir bei diversen sozialistischen Zweckbauten in der Friedrich-Ebert-Straße an.
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Was sollte sich auf keinen Fall ändern?
Eine der schönen Seiten Potsdams ist, daß es fast überall noch eine klar erkennbare Siedlungsgrenze gibt, wo dann einfach mal die Stadt aufhört und das Feld beginnt. Daß mir da ja keiner überall diese phantasievollen Einfamilienhäuser hinsetzt!
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Die Potsdamer sind…
…zu einem schon so verwöhnt von den Möglichkeiten des Lebens hier und mit sich selbst beschäftigt, daß wichtige Spielräume und Chancen gar nicht gesehen, geschweige denn genutzt werden.
Zum anderen immer noch typisch märkische Meckerköppe, die mit einem sturen Besitzanspruch behaupten, die einzig wahren Urpotsdamer zu sein, verwegen trotzige „Richtigstellungs“-Leserbriefe schreiben und bei jedem mutigen Projekt Panik bekommen, es würde ihnen etwas weggenommen (und dies bei genauerem Hinhören mit leicht sächselndem Singsang vortragen), anstatt froh zu sein über die bewußt nach Potsdam Gezogenen und über das Viele, das sich ereignet, bewegt, vor dem Verfall gerettet wird, zu neuem Leben erwacht und voran kommt (herzliche Einladung nach Wittenberge, das wäre mal eine ganz praktische Richtigstellung).
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Die Touristen, die in die Stadt kommen, sind…
…manchmal kaum einen Tag hier und wollen am liebsten gleich bleiben (als Stadtführer weiß ich, wovon ich da rede. Ich kenne sogar ein Beispiel, da ist es so gekommen).
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Wo trinkst Du Deinen Kaffee, wo kaufst Du Deinen Wein, Dein Brot und Gemüse?
Kaffee kaufen: Aktionsladen „Eine Welt“ bei der Französisch-Reformierten Gemeinde in der Gutenbergstrasse. Kaffee trinken: Mensa Griebnitzsee, Lindencafé neben dem Thalia. Wein kaufen: Kaufland, Netto, Aldi – zu mehr reicht’s halt nicht. Bier trinken: Biergarten am Griebnitzsee direkt hinterm S-Bahnhof – einfach perfekt!. Brot: Bäcker Braune oder Mehrländer im Holländischen Viertel (beide backen nämlich noch selbst). Gemüse: So oft wie möglich auf dem Bassinplatz, zur Not Matsch und Gammel im Kaufland.
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Was machst Du in Potsdam im Sommer und im Winter am liebsten?
Laufen. Potsdam bietet für Läufer, Wasser-, Rad- und Was-auch-immer-Sportler traumhafte Routen, auf denen man hundertmal entlangläuft und immer wieder etwas Neues entdecken kann. Im Sommer wie im Winter.
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Was ist Dein liebstes Ausflugsziel in der Umgebung Potsdams?
Von der Häufigkeit her wohl Berlin. Aber meist reicht es mir schon, Wannsee passiert zu haben, um dringend wieder zurück zu wollen.
Zählt die Prignitz noch zur Umgebung? Dann Perleberg, meine liebe kleine Heimatstadt.
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Was fehlt Dir in Potsdam am meisten?
Der Studienabschluß, um einen Job zu finden, um mir eine Familie leisten zu können. Ansonsten mehr Leute, die fröhlich anpacken statt „richtig stellen“.
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Was muß man, wenn man nach Potsdam kommt, unbedingt sehen?
Ich könnte jetzt schon im Dreieck springen vor Vorfreude bei dem Gedanken, in absehbarer Zukunft abends mit dem Dampfer der Weißen Flotte von hier in Griebnitzsee rüber zur Schiffbauergasse zu fahren und dort ins neue Hans-Otto-Theater zu gehen, um dann wieder zurück zu schippern. Hit it!
Ansonsten halte ich das Pfingstberg-Belvedere für einen Geheimtip, da etwas abseits der ausgetretenen Touri-Pfade.
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Welche Firma bzw. Institution und welche Person sollte sich in Potsdam unbedingt ansiedeln?
Ich bin überzeugter Mitarbeiter bei der Initiative für den Aufbau einer lokalen Bürgerstiftung. Es gibt erfreulicherweise für fast jede Geschichte einen Verein. Doch kommen die vielen Engagierten noch viel zu wenig ins Gespräch miteinander und sehen zu oft nur ihre eigenen unmittelbaren Vereinsinteressen. Natürlich braucht es die Vielfalt, und auch die Konkurrenz belebt das Vereinsgeschäft, aber an vielen Ecken und Enden müßten wir die Kräfte gezielt bündeln, um nicht leichtfertig Potentiale zu verschenken, von denen andere Regionen nicht zu träumen wagen. Als Prignitzer weiß ich, wovon ich rede.
Ich stelle mir vor, daß über die Institution einer Bürgerstiftung jeder Potsdamer nach seinen Möglichkeiten der Stadt ganz direkt und unkompliziert etwas zurückgeben kann, ob nun von seinem Geld, seiner Zeit oder seinen Ideen. Und mit der Zeit auf der Plattform der Stiftung eine Art Zukunftswerkstatt wachsen zu lassen, die professionelles Know-How zusammenbringt mit den Entscheidungsträgern und den engagierten Bürgern.
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Wenn Du eine Stunde Stadtführung in Potsdam geschenkt bekommen würdest – worüber würdest Du gern mehr erfahren?
Das Alltagsleben der Leute jenseits des Hofes kommt oft zu kurz neben dem offiziellen Pflichtprogramm. Man bräuchte dazu viel Mut zur Lücke oder viel viel Zeit.
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Welchen Potsdamer bzw. welche Potsdamerin würdest Du am liebsten heiraten?
Hallo ihr hübschen Potsdamerinnen, wer hat Lust, mir bei der Antwort auf diese Frage zu helfen? Im Ernst, in Potsdam hat es auf jeden Fall viele schöne Frauen. Wer das nicht glaubt, soll mal nach Hannover oder so fahren.
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Welche Frage zu Potsdam hat gefehlt – und was wäre Ihre Antwort gewesen?
(Darauf ist ihm nichts eingefallen.)
Michael Kreutzer
Student an der Universität Potsdam
arbeitet u.a. als Stadtführer
Oktober 2006
Übrigens: Ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis ist so etwas wie eine berufsbedingte Begleiterscheinung, wenn man als Stadtführer arbeitet. Ich spreche aus eigener Erfahrung…