Heute während meiner Stadtführung mit einer Schulklasse des Lycée Francais Budapest sprach mich ein Mann an und fragte, ob er kurz unterbrechen dürfte. Wir standen gerade beim Brock’schen Palais am Stadtkanal und zuerst dachte ich, er hätte eine Frage. Aber er sagte, er sei ein Zeitzeuge, er wäre auf uns aufmerksam geworden und wolle nur etwas anfügen:
Als Baby hätte er den Bombenangriff auf Potsdam am 14. April 1945 im Keller des Brock’schen Hauses überlebt. 1961 dann, zwei Tage vor Mauerbau, sei er aus der DDR nach Westdeutschland geflohen. Nach der Wende hat er zusammen mit seinem Bruder einen Geländerpfosten für den Wiederaufbau des Stadtkanals gestiftet.
Die Schüler sind fasziniert. Eben noch war das Thema Krieg, Zerstörung und Wiederaufbau sehr weit entfernt, und plötzlich steht es als Mensch direkt vor ihnen und spricht bescheiden und in langsamen Deutsch, damit sie verstehen können, von seinem persönlichen Schicksal.
Ein Glücksfall. Der Mann sagt, immer wenn er wieder nach Potsdam zu Besuch kommt, dann streichelt er seinen Geländerpfosten ein bißchen, und lächelt etwas beschämt dazu. Und natürlich müssen anschließend wir alle den Pfosten suchen und berühren. Nummer 193.