Letzten Sonnabend war ich mit „meinen“ Stadtführerschülern von der IHK zu einer Lehrführung in der historischen Mitte von Potsdam unterwegs. Neben vielem anderem versuche ich bei solchen Gelegenheiten, eine sehr wichtige Regel des Stadtführens zu vermitteln, die aber offenbar nur schwer verstanden wird:
Stadtführer sagen ihre Meinung nicht!
Wer seine Meinung zu einem Thema äußert, provoziert Zustimmung oder Widerspruch – um beides und die daraus entstehende Diskussion geht es nicht bei einer Stadtführung. Es hat keinen Sinn, mit Gästen zu diskutieren; und in den allermeisten Fällen wollen die Gäste eben das auch nicht. Gäste wollen Impressionen zu einer Stadt sammeln, Interessantes aus Geschichte und Gegenwart (!) erfahren und ansatzweise ins Stadtleben eintauchen. Niemand hat ein Interesse daran (ja, es gibt immer Ausnahmen), über den Wert oder Nicht-Wert der Ostmoderne, über das Pro oder Contra des geplantes Wiederaufbaus der Garnisonkirche oder über Potsdamer Parkraumbewirtschaftung u.ä. zu diskutieren. Informieren ja, diskutieren nein.
In einer Zeit, in der aber jeder „gefühlt“ eine Meinung zu allem und jedem hat, und diese auch kundzugeben sich scheinbar unter Druck fühlt, fällt es meinen Schülern wirklich nicht leicht, dies zu verstehen. Dabei ist gerade die Abwesenheit von Meinungskundgebungen gerade heute eine sehr entspannende Angelegenheit, die ich meinen Gästen herzlich gern gönne.
Aber wie ich denn reagieren würde, wenn meine Gäste gezielt nach meiner Meinung fragten? Selbst dann verweigere ich dies, antworte ich den zukünftigen Stadtführern. Ich entziehe mich in solchen Situationen mit einer Frage; ich sage dann z.B. zum Thema Garnisonkirche: „Ich frage mich, ob man eine Kirche im Streit aufbauen kann?“
Aber dies wäre doch eine Meinung, bekomme ich dann gern als Antwort. Nein, es ist keine Meinung – es ist eine Haltung. Und der Unterschied zwischen Meinung und Haltung könnte nicht größer sein.