Es gibt Leute, die finden, ich solle mehr Werbung machen. Da sie wissen, daß mir der finanzielle Hintergrund fehlt, um deutschlandweit mit Großplakaten und Werbespots auf meine Stadtführungen aufmerksam zu machen, meinen sie damit meistens, ich solle die sozialen Netzwerke nutzen, im speziellen Facebook und Twitter. Das tue ich nicht, und ich habe meine Gründe dafür.
Der wichtigste Grund ist (auf alle anderen einzugehen, habe ich jetzt keine Lust), daß ich Stadtführungen für etwas sehr Altmodisches halte. Richtig gelesen. Es ist jetzt schon und wird immer mehr zu etwas sehr Altmodischem, fast schon Dinosaurierhaftem, allein oder mit ein paar Leuten spazieren zu gehen, sich dabei von einem Ortskundigen begleiten und sich Geschichten über den Ort erzählen zu lassen, an welchem man sich gerade befindet.
Das ist übrigens kein Grund, traurig zu sein: Es wird immer Leute geben, die altmodisches Zeug zu schätzen wissen. So, wie es Leute gibt, die meine Website hier mögen, „weil sie ist wie Sie“; weil sie hier das Gefühl haben, etwas über mich und meine Haltung zu erfahren; weil diese Website „potsdamerisch“ ist…
Ich mag altmodisch sein, aber ich bin nicht blöd. Natürlich ist Werbung wichtig. Meine besten Werbeträger sind meine Gäste – nach über zehn Jahren als Stadtführerin kann ich das empirisch belegen. Meine Gäste empfehlen mich weiter (sogar über Twitter und Facebook!), und einige werden zu Stammkunden. Und mitunter werden aus Stammkunden sogar Partner, mit denen ich gemeinsam an neuen Ideen arbeite, wie das in diesem neuen Jahr mal wieder geschehen wird.
Die zweitwichtigsten Werbeträger gehören zu meinem sozialen Netzwerk in Potsdam: Wie zum Beispiel der Weinhändler, mit dem ich kurz vor seiner Tür sitze und einen Probeschluck trinke. Da kommen zwei Kunden von ihm vorbei, grüßen, bleiben stehen, halten einen Plausch. Der Weinhändler stellt mich ihnen vor als die „beste Stadtführerin Potsdams“. Das ist mir nicht nur angenehm, also frage ich ihn: „Woher willst Du das wissen?“ Er lacht nur; die beiden anderen, die stehengeblieben sind, bitten mich um meine Visitenkarte und gucken sich vielsagend an. Auch ohne hören zu können, was sie denken, weiß ich doch, daß sie denken: Das nächste Mal, wenn Tante Brigitte kommt…!
Naja, und dann ist es ja nie verkehrt, Journalisten zu helfen. Gern auch mal mit einer Idee, wie man das Thema Königsberger Klopse in Potsdam umsetzen könnte – in Potsdam, weil es die namensgebende Stadt für die Klopse zwar noch gibt, „aber irgendwie ja doch nicht mehr“.
Ich habe in diesem Fall übrigens dazu geraten, unbedingt das Fortunaportal am heutigen Landtag dazu abzubilden – steht die dort vorhandene Rekonstruktion doch für den ersten Bau, den Friedrich I. in Erinnerung an seine Selbstkrönung in – Sie vermuten richtig! – Königsberg hier in Potsdam errichtet hat. Eigentlich hätte man Günther Jauch in die Mensa der Fachhochschule am Alten Markt setzen müssen und ihn dort Königsberger Klopse essen lassen – Schwenk nach draußen – Fortunaportal in Klopswurfweite! Weil, wie in Potsdam jeder weiß, das Fortunaportal ohne Jauch eben nicht hätte rekonstruiert werden können.
Ob dieser Fernsehbeitrag, in welcher Form auch immer, zustande gekommen ist, weiß ich noch nicht. Ich habe mich jedenfalls geweigert, klopsessend über die Verbindung von Königsberg und Potsdam zu referieren; mein Platz ist nicht vor der Kamera – sie liebt mich einfach nicht.
Und ja, man stelle sich vor, ich habe ohne Not einen möglichen Auftritt vor der Kamera eines Qualitätsmediums (das mit der Qualität müssen Sie jetzt einfach glauben) abgewählt! Und ich kann sehen, wie ein guter alter Hase aus der Werbebranche/meinem Bekanntenkreis entsetzt den Kopf schüttelt, wenn er das hier liest.
Ich bin unverbesserlich. Und schlimmer: Ich schneide mir ins eigene Fleisch, weil ich seit vielen Jahren zukünftige Gästeführer und Tourist Guides an der IHK unterrichte. Man muß sich das vorstellen: Ich erkläre ihnen, wie man gut (stadt)führt! Ich weihe sie in die Tricks und Kniffe ein, ich gebe mein Herrschaftswissen weiter; ich züchte mir meine eigene Konkurrenz, ähm, Verzeihung, man sagt wohl: Mitbewerber. Ja, gut, manchmal fällt einer oder fallen zwei bei den praktischen Prüfungen, denen ich sozusagen vorstehe, auch durch. Aber die anderen zwanzig „lasse ich“ bestehen!
Und anschließend, wenn sie „auf dem Markt sind“, grüße ich sie sogar auf der Straße; helfe aus, wenn einer mal einen englischsprachigen Kunden hat und sich nicht traut (Traut Euch, ich weiß, Euer Englisch ist gut genug!); und manche von ihnen treten sogar in den selben Verein ein, in dem ich Mitglied bin.
Es ist schlimm, ich weiß. Aber so mache ich es eben, altmodisch und großzügig und immer in dem Bewußtsein, daß auch der tollste Artikel und die schönste Fernsehsendung und der prima Audioguide mir eben nicht einhundert Gäste mehr pro Monat bringen. Na gut, vielleicht zwei Gäste mehr. Der Rest versendet sich.
Nicht so schlimm. Wer nach Stadtführungen in Potsdam sucht, findet mich (und alle anderen Stadtführer). Dann wählt er aus und manchmal wählt er mich. Und dann gehen wir spazieren (oder Radfahren oder Bootfahren oder Autofahren – wie auch immer), und ich erzähle Geschichten über Potsdam. Das altmodische und moderne Potsdam, und wie es heute lebt und ja, auch liebt (Merke: Hier geht man nicht fremd – hier geht man bekannt!). Und was dieses Potsdam haßt und wie bekloppt es manchmal ist, und wie konservativ und verrückt und gefüllt mit Geschichte und Geschichten und mitunter gar mit Weisheit.
Und das mache ich auch in diesem Jahr wieder, wie immer. Willkommen – wie immer!