Der September begann mit einer Geburtstagsführung für eine Zeitzeugin, die den Bombenangriff auf Potsdam am 14. April 1945 miterlebt hat; sie war damals zwölf Jahre alt.
Während unseres Spaziergangs rund um den neuen Landtag auf dem Alten Markt kehrt ihre Erinnerung zurück: Wir stehen an der Nikolaikirche und sie zeigt mit der Hand in Richtung Filmmuseum. In der Schloßstraße hätten sie gewohnt, sie glaubt, es wäre die Schloßstraße Nr. 4 gewesen. Und daß es in dem Haus eine Bäckerei gegeben hätte. Aber sie mißtraut auch ihren Erinnerungen; und damit gehört sie zu den wenigen Menschen, denen bewußt ist, wie unzuverlässig die subjektive Erinnerung eben ist. Hinzu kommt, daß hier an Ort und Stelle leider nichts mehr weiterhelfen kann: Der größte Teil der Häuser in der Schloßstraße ist verschwunden.
Aber so leicht gebe ich ja nicht auf und frage nach der Führung einen Freund, der alte Adreßbücher von Potsdam besitzt. Er stöbert und fragt: Könnte es die Bäckerei Gericke gewesen sein? Das wäre aber die Adresse Schloßstraße 1-3!
Und so bekommen wir noch am selben Abend die Bestätigung von meinem Gast: Das Stichwort Gericke war der Schlüssel, der die zum Teil verschüttete Erinnerung nunmehr ganz freigelegt hat: Ja, dies war das Haus, in dem sie gewohnt hat. Und im Keller den Bombenangriff unverletzt mit ihrer Familie überstanden hat.
Und in ein paar Jahren, wenn das Gebäude der Fachhochschule abgerissen sein wird, dann wird dort auf der Ecke zum Alten Markt wohl ein Haus mit einer rekonstruierten Fassade entstehen, das Haus Schloßstraße 1-3. Ich bin gespannt, was Irmgard dann dazu sagt…