Vergangenen Sonntag bei meiner Führung in der Schiffbauergasse hatte ich 49 Gäste. In Worten: Neunundvierzig! Eigentlich viel zu viele, viele unangemeldet, ich ziemlich erkältet, die Stimme belegt – das sind so Momente, wo man durchaus ein bißchen Panik bekommen könnte. Aber aus dem befürchteten Desaster wurden zwei (!) wunderbare Stunden, alle haben alles gut verstehen können und sich mit Applaus bedankt – ein fantastischer Jahresausklang für eine Stadtführerin! Und sonst? Es war ein sehr gutes Jahr mit vielen neugierigen, wind- und wetterfesten, temperamentvollen oder still-nachdenklichen Gästen:
Eine Deutsch-Brasilianerin, die mit ausgebreiteten Armen über die Glienicker Brücke rennt und ruft, darauf habe sie 25 Jahre gewartet. Ein Komponist, der nach dem Besuch am Grab Friedrichs des Großen leise zu mir sagt: Ein Krieger und Poet – wie hat er das nur ausgehalten?
Ein Major der Reserve in Zivil, der zusammen mit zwei freundlichen Soldaten in sommerlicher Uniform eine Gruppe von Offiziersfrauen bei einer Führung begleitet, und auf meine Frage, was er denn so im bürgerlichen Hauptberuf mache, antwortet: Ich bin Bürgermeister. Und keiner kleinen Stadt – ups!
Mit einer Frau, die während unseres Spaziergangs ihrem Mann zuflüstert: Schatz, wollen wir nicht doch nach Potsdam ziehen? Mit dem Verwaltungsleiter einer deutschen Schule in Afrika, der fest davon überzeugt ist, daß ich dabei war, als die Hauptfontäne von Sanssouci einmal hochstieg und wieder zusammensank: Sie haben die Träne im Augenwinkel von Friedrich gesehen, nicht wahr? Ähem, naja, jetzt bin ich wohl enttarnt…
Ein Jahr mit einem Innenstadtspaziergang für das Personal der Königlich-Dänischen Botschaft Berlin und seiner Exzellenz, dem Botschafter, der jetzt weiß, warum er die Garnisonkirche in Potsdam nicht finden konnte, als er sie einmal seinem Kollegen aus Singapur zeigen wollte… Mit der Frau des Wissenschaftlers, der an einer Konferenz teilnimmt, während wir durchs Holländische Viertel bummeln: Der Arme, sitzt da fest und verpaßt das Beste!
Das war gar nicht so langweilig, wie ich dachte!, murmelte der 17jährige an einem schrecklich kalten Novembervormittag, seine Mitschüler nicken fleißig und klatschen – während des Spaziergangs mußten sie natürlich ganz coole, unbeteiligte Gesichter machen…
Einige aufzuzählen, heißt viele unterschlagen, nicht wahr? Aber all meinen Gästen ein herzliches Dankeschön für ihre Neugier auf diese wunderbare Stadt und für ihre Aufmerksamkeit und Freundlichkeit während unserer Spaziergänge und Rundfahrten! Kommen Sie wieder – Sie alle haben noch lange nicht alles von Potsdam gesehen!
Und vielen Dank auch allen Partnern, die eine Stadtführerin braucht: Den Gastronomen, die ich meinen Gästen zur Einkehr empfehle und die mit ihrem Service üble Gerüchte widerlegen, Brandenburger wären nur zu sehr robuster Freundlichkeit fähig. Und wissen, daß die Stadtführerin dankbar für eine große Apfelschorle ist.
Dankeschön allen Potsdamern, die ihre Türen und Tore spontan aufhalten und meine Gäste einen Blick in ihre Höfe und Treppenhäuser werfen lassen. Und großzügig darüber hinwegsehen, wenn mal wieder zwanzig Touristen das Vorbeikommen auf dem Bürgersteig erschweren.
Besonderen Dank für die immer erfreuliche Zusammenarbeit an die Firma Anger in Marquardt, die auch in der Lage ist, innerhalb einer Viertelstunde einen Bus zu schicken, wenn meine Gäste doch nicht laufen wollen. Und deren liebenswürdige und ortskundige Fahrer kein Problem mit meiner Rechts-Links-Schwäche haben – sie biegen immer richtig ab!
Und – nur das nicht vergessen! – danke auch an Kräuter-Heinrich in der Gutenbergstraße, der mit seiner Stadtführer-Kräutertee-Spezialmischung dafür sorgt, daß ich meine Stimme immer wieder finde… Und Stimme ist alles in meinem Beruf – siehe oben!