Mein geliebter Sohn!
Deine Tanten und ich wir machen uns das Vergnügen hierbei folgendes in drei Kisten zu übersenden. – 1 Baumkuchen für Dich und deine liebe Auguste, wobei drei weiße Honigkuchen und mehreres Naschwerk für deine lieben Jungens, welche obenauf liegen und vorsichtig auszupacken sind.
1 Guckkasten für Franz und Gebrüder, 2 Mord-Zicken und 1 Pferdestall für Fritz, 1 kleines Pferdchen und 1 Caroussell für August und ein Jagd für Franz. Letztere und die kleinen Näschereien von den Tanten. Das Übrige vom gnädigen Papa. Es wird uns freuen Euch alle damit in etwas zu vergnügen, könnten wir doch zugegen seyn! Hierbei folgt 1 Thlr in Kassen Anweisung für das zu erwartende Uhrband. Ich erhalte doch solches kommenden Montag?
Noch habe ich zu bemerken, daß dem Fritz das in Zucker geformte Eichkätzchen von der Tante Fischbein versprochen, zugedacht ist, das übrige bis auf Augustens Leibspeise, die Aniskuchen vertheile nach Belieben. Und so wünsche ich Euch Ihr Lieben ein frohes Fest, bitte um baldige, gute Nachricht von Euch grüße mit den Tanten Euch und alle werthen Freunde bestens.
Der kleine Eduard kann doch von alledem nichts genießen, ist denn der liebe Junge nun recht gesund?
Indem wir Euch insgesammt herzlich umarmen, bin ich mit besonderer Liebe
Dein
treuer Vater
Franz Tummeley
Magdeburg, den 17. Dezember 1835
NS. Sollte das Uhrarmband mehr betragen, so bitte ich mir solches anzuzeigen.
Adieu! Adieu!
d.O.
Dieser Brief von Franz Tummeley (geb. 23.11.1774, gest. 27.12.1837, verheiratet mit Dorothea Deichmann, 1777 bis 13.12.1802) ging an seinen Sohn Eduard Tummeley, der 13 Jahre später die Villa Tummeley an der Berliner Straße erbauen ließ. Die Villa ist vielen Potsdamern noch als Sitz der Energieversorgung zu DDR-Zeiten bekannt, heute im Besitz von e.dis und gehört zum Sanierungsgebiet Schiffbauergasse. Und hier noch ein Dokument aus dem Familienbesitz:
Eduard Tummeley, 1802 – 1858, geb. in Magdeburg, gest. in Potsdam, verheiratet mit Auguste Bechte, hatte von seinem Onkel Eisenhart in Potsdam ein Gartengrundstück in der Königstraße 14 geerbt. Er ließ ca. 1850 dort von Baumeister Gottgetreu ein Wohnhaus aufführen. Der große Garten hatte Platz für eine Voliere, ein Treibhaus, Damhirsche und anderes Getier. Nach seinem Tode hat sein Sohn Eduard, der Landschaftsmaler, mit seiner Frau Marie, geb. Wendorff, das Haus bewohnt. Ihre Kinder Bruno, Marie, Eduard und Anna Tummeley haben dort Kinder- und Jugendjahre verlebt, bis ihre Eltern nach Pyritz zogen.
Es ist erstaunlich, wieviel man schon aus zwei kurzen Dokumenten herauslesen kann, noch dazu, wenn ein Mitglied der Familie am Tisch sitzt: Annemarie Rewoldt. Sie hatte bei mir eine Führung über das Areal Schiffbauergasse gebucht und sich, wie sie sagte, entschieden, „doch nicht incognito aufzutreten“, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Das einzige, was ich bisher zur Villa Tummeley wußte, hatte ich aus dem Buch „Die Berliner Vorstadt“ (Nicolai 1995).
Auffällig ist, daß die Familie Tummeley eine Vorliebe dafür hatte, ihre Söhne Eduard zu nennen. Der „geliebte Sohn“ Eduard, dem sein Vater Franz Weihnachtsgeschenke schickt, war der Erbauer – 1848 war die Villa fertiggestellt. Von Eduards Sohn Eduard, dem Landschaftsmaler, befindet sich heute noch eine colorierte Zeichnung der Villa in Familienbesitz. Und dessen Sohn Eduard war der Großvater meines Gastes Annemarie Rewoldt, Tochter von Gertrud Rewoldt, einer geborenen Tummeley. Alles klar? Interessant ist auch, daß das Sterbejahr von Dorothea Deichmann, der Ehefrau des Briefeschreibers, das selbe ist wie das Geburtsjahr von Eduard, dem Hauserbauer, nämlich 1802 – wahrscheinlich ist sie also bei seiner Geburt verstorben.
Frau Rewoldt brachte mir auch die Kopie einer Fotografie der Villa mit, und zwar vor dem Umbau Ende des 19. Jahrhunderts. 1885 hatte der neue Besitzer Baron von Eckardstein das Haus umbauen lassen, die ursprünglichen Zinnen auf dem Dach wurden überbaut, ebenso wie der Staffelgiebel zur Straße im Stil der Neorenaissance überformt wurde. Das Foto zeigt die Villa von der Wasserseite aus, das Erdgeschoß ist zum Teil mit Kletterpflanzen überwachsen und man erkennt einen Sitzplatz. Der ursprüngliche Garten war von Gustav Adolph Fintelmann angelegt worden, der damals Hofgärtner auf der Pfaueninsel war. Gärtner und Bauherr wurden Verwandte, als Fintelmanns Tochter Elisabeth Tummeleys Sohn Franz heiratete. Dieser Mann muß das Kind Franz gewesen sein, das 1835 von seinem Großvater einen Guckkasten zu Weihnachten bekam und „ein Jagd“…
Der erwähnte Onkel Eisenhart, vom dem Tummeley das „Gartengrundstück in der Königstraße 14“ (heute Berliner Straße) erbte, ist der große Wohltäter Potsdams, der Kaufmann August Friedrich Eisenhart, für den es auch ein Denkmal in der Stadt gibt.
Für die Dokumente und Informationen möchte ich auch an dieser Stelle Frau Rewoldt sehr herzlich danken; mit ihrer Erlaubnis durfte ich dies alles und auch ihren Namen hier veröffentlichen. Es ist nichts weniger als ein Beitrag zur Potsdamer Stadtgeschichte.